Dr. med. Adriane Röbe

Abhängigkeitserkrankungen

Dr. med. Adriane Röbe

Abhängigkeitserkrankungen

Abhängigkeit ist eine Erkrankung und keine Willens- oder Charakterschwäche. Von den stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen, die durch den Gebrauch von Suchtmitteln wie Alkohol, Nikotin, Medikamente, Heroin oder Kokain entstehen, unterscheidet man die nichtstoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen, wie zum Beispiel das pathologische Glücksspiel.

Wie erkennt man, dass man möglicherweise an einer Abhängigkeitserkrankung leidet? Bei uns sind viele Suchtstoffe zum Beispiel Nikotin oder Alkohol frei verfügbar. Viele Menschen spielen Lotto. Aber was unterscheidet einen «normalen» Konsum von einem krankhaften?
Nach den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Kriterien besteht ein Abhängigkeitssyndrom, wenn drei der unten aufgeführten sechs Symptome gleichzeitig vorliegen:

  1. Heftiges Verlangen nach dem Suchtmittel
  2. Kontrollverlust bezüglich Menge und Dauer des Konsums
  3. Körperliche Entzugsbeschwerden
  4. Toleranzentwicklung (Dosissteigerung oder Wirkungsverlust)
  5. Aufgabe ursprünglicher Interessen oder Aktivitäten (das Suchtmittel wird zum Lebensmittelpunkt)
  6. Fortdauernder Konsum trotz negativer sozialer und gesundheitlicher Folgen.

Noch bevor man von einer Abhängigkeitserkrankung nach gängigen Kriterien sprechen kann, können jedoch schon Probleme des Drogengebrauchs vorliegen.

Die Einteilungen der Weltgesundheitsorgansiation ist wie folgt:

  • Unerlaubter Gebrauch: von der Gesellschaft nicht tolerierter Gebrauch.
  • Gefährlicher Gebrauch: Gebrauch mit wahrscheinlich schädlichen Folgen für den Konsumenten.
  • Dysfunktionaler Gebrauch: psychischen oder sozialen Anforderungen kann nicht mehr entsprochen werden.
  • Schädlicher Gebrauch: es liegen bereits schädliche Folgen (Zellschäden, psychische Störung) vor.

Welche Möglichkeiten hat der Arzt, eine Abhängigkeitserkrankung zu erkennen?
Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf Suchtmittel. Beispielsweise führt Alkoholgenuss bei vielen Menschen zu gehobener Stimmung und entspannter Geselligkeit, bei anderen hingegen zu tiefer Melancholie oder riskantem Verhalten. Die Risikofaktoren, die zur Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung beitragen, sind vielfältig und können im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Nicht selten werden Suchtmittel eingenommen, um Versagensängste zu reduzieren oder sich nach Stresssituationen zu entspannen. Hieraus kann eine fortgesetzte «Selbstbehandlung» resultieren, die in eine Abhängigkeitserkrankung mündet. Gefährdet von der Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung sind insbesondere Menschen, die gar nicht bemerken, wie das Suchtmittel schleichend zum festen Bestandteil ihres Lebens wird, bis schliesslich ein Leben ohne dieses Sucht- mittel gar nicht mehr möglich ist, weil sonst schwere Entzugssymptome drohen.

Wie werden Abhängigkeitserkrankungen behandelt?
Durch ein persönliches Gespräch beim Hausarzt oder in einer Suchtberatungsstelle muss herausgefunden werden, ob eine Abhängigkeitserkrankung vorliegt. Häufig gehen der Behandlung motivierende Beratungen voraus. Im Optimalfall entsteht daraus der Wunsch, den Teufelskreis der Abhängigkeit zu durchbrechen und Therapieoptionen müssen besprochen werden. In der Regel muss dann ein Entzug durchgeführt werden. Dieser kann je nach Droge, körperlichem und geistigem Zustand des Patienten stationär oder ambulant durchgeführt werden. Ein Entzug ist relativ schnell durchgeführt (je nach Droge 1-2 Wochen). Wichtig sind dann rehabilitative Massnahmen (stationäre oder ambulante Entwöhnungstherapie zum Aufbau eines suchtmittelfreien Lebensstils) und eine ambulante Langzeitbetreuung (z.B. der Besuch von Selbsthilfegruppen und soziotherapeutischen Einrichtungen). Dies kann unter Umständen über Jahre gehen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Suchterkrankungen als chronische Erkrankungen gewertet werden. Das heisst, dass eine Suchterkrankung niemals «geheilt» ist. Rückfälle sind die Regel und Menschen mit Suchtproblemen müssen lernen mit diesen umzugehen.

Zusätzliche Informationen zur Medikamentenabhängigkeit
Frauen und ältere Menschen sind hiervon besonders häufig betroffen. Abhängig werden kann man von vielen Medikamenten, darunter Beruhigungsmittel (Sedativa), Schlafmittel (Hypnotika), Aufputschmittel (Stimulanzien) und Schmerzmittel (Analgetika). Die Besonderheit einer Medikamentenabhängigkeit besteht darin, dass die Betroffenen das Medikament von Beginn an gezielt zur Linderung einer körperlichen oder psychischen Symptomatik einnehmen, hierbei aber bereits nach Wochen eine körperliche Abhängigkeit entstehen kann. Die Patienten haben den Eindruck, dass sich ihre ursprüngliche Symptomatik verschlechtert, während sie ihr Medikament zunehmend nur noch zur Linderung ihrer Entzugserscheinungen nehmen.

Quelle: YinYang Fachmagazin, TCM Fachverband Schweiz
Autor: Dr. med. Adriane Röbe, Augsburg