Depression & Akupunktur
Depression & Akupunktur
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – eine Depression geht oft mit extremen Gemütsschwankungen einher oder kann sich hinter körperlichen Symptomen verstecken. Ohne therapeutische Hilfe ist es meist schwer, aus dem Tief herauszufinden. Akupunktur kann dabei helfen.
Eine Depression kann plötzlich beginnen, reißt den Betroffenen in ungeahnte Tiefen und stellt ihn vor unlösbar scheinende Probleme. Lange Zeit tabuisiert, gilt die Depression inzwischen als Volkskrankheit. Die Diagnose gestaltet sich häufig schwierig. Grund dafür ist auch, dass sich die Erkrankung nicht nur in typisch «depressiven» Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Freud- und Kraftlosigkeit, Gereiztheit und Antriebsarmut zeigt. Häufig manifestiert sich eine Depression auch in vermeintlich «körperlichen» Beschwerden wie Schlaflosigkeit, Schmerzen, oder anderen «psychosomatischen» Beschwerden wie Schweregefühl der Brust, Durchfall oder Herzproblemen.
Akupunktur zur Unterstützung des Heilungsverlaufs
Für verschiedene Formen der Depression gibt es ein breites Spektrum medikamentöser, psychotherapeutischer und alternativer Behandlungsmöglichkeiten. So wird seit einigen Jahren in der Therapie depressiver Krankheitsbilder die Akupunktur als komplementäres Verfahren eingesetzt.
Hierbei gibt es kein einheitliches Aku- punkturschema «Depression». Je nachdem, welche Beschwerden bei einer Depression im Vordergrund stehen – etwa Schlaflosigkeit, Nervosität, übermächtige Traurigkeit – variieren die Akupunkturpunkte. Es muss stets auf das individuelle Beschwerdebild des Patienten eingegangen werden. Eine Differenzierung nach den Symptomen erfolgt exemplarisch wie folgt:
- Gehemmt – Apathisch: Qi-Stagnation
- Agitiert – Ängstlich: Blut- und Yin-Leere
- Gehemmt – Ängstlich: Qi-, Yang- und Blut-Leere
- Larvierte (Maskierte) Symptomatik: Qi- und Blut-Stagnation
Im Folgenden werden einige wichtige Syndrom- und Diagnoseunterscheidungen sowie mögliche Punktekombinationen aufgeführt.
Syndrom | Ätiologie | Symptome |
---|---|---|
Leber-Qi Stauung | Unterdrückte Emotionen wie Zorn, Ärger, Wut | Schwere Depression mit Frustrationsgefühl, stechende Schmerzen, Völlegefühl im Thorax |
Loderndes Leber-Feuer | Qi-Stagnation wandelt sich in Feuer | Schwere Depression, Gereiztheit, Augenrötung, Kopf- schmerzen |
Schleim blockiert Qi-Fluss |
Beeinträchtigung von Milz durch Grübeln | Schwere Depression, Schleim, Globusgefühl |
Blut-Mangel | Übertriebene Angst konsumiert Blut | Unbegründete Sorge, Ängste, Verdächtigungen, Schlafstörungen, Gereiztheit |
Syndrom | Therapieprinzip | Akupunktur |
---|---|---|
Leber-Qi Stauung | Leber-Qi regulieren,
Qi-Zirkulation regulieren |
Bl 18, Le 3, Ren 17, Le 14, Ren 12, Ma 36, Mi 4, L 8 |
Loderndes Leber-Feuer | Leber-Feuer klären, Leber-Qi regulieren, Shen harmonisieren | Le 2, Le 3, Le 8, Gb 43, Gb 34, Ma 36, Ren 13 |
Schleim blockiert Qi-Fluss |
Schleim lösen, Milz stärken, Leber besänftigen, Shen harmonisieren | Ren 17, Ma 40, Bl 20, Mi 6, Le 3, Pe 6 |
Blut-Mangel | Blut nähren, Herz und Shen beruhigen | Mi 6, He 6, He 7, Ren 14,
Bl 15, Le 3, Pe 6, Du 26 |
Zusätzlich zur Körperakupunktur empfiehlt sich die Anwendung der Ohrakupunktur. Hier sind vor allem auch psychoaktive Punkte – je nach Aktivität (zB. Frustrationspunkt, Antide- pressionspunkt, Valiumpunkt, Depressionspunkt) – empfeh- lenswert. Zusätzlich können Ohrsamen oder Dauernadeln verwendet werden. Generell handelt es sich bei depressiven Symptomen immer um ein chronisches Muster. Deshalb ist in der Regel eine Behandlung über einen längeren Zeitraum not- wendig. Leicht- und mittelgradig depressive Zustandsbilder sprechen meist besser auf Akupunkturbehandlungen an als schwerstdepressive Zustandsbilder.
Bei schweren depressiven Zuständen ist es den Patienten ausserdem oft nicht möglich, ein ausführliches TCM-Anamne- segespräch, welches zur exakten Diagnosestellung notwendig wäre, zu führen. Hier bietet zum Beispiel die Ohrakupunktur nach dem NADA-Protokoll eine erste Behandlungsoption.
Ohrakupunktur nach dem NADA-Protokoll
Bei dem NADA-Protokoll (National Acupunture Detoxification Association) handelt es sich um eine standardisierte Ohraku- punktur, welche ursprünglich zur Suchtbehandlung entwickelt wurde. In den letzten Jahren wurde diese Therapieform wegen klinisch positiver Effekte bei der Linderung von Unruhezustän- den, Schlafstörungen sowie allgemein stressmildernder und entspannender Wirkung bei einem breiten Patientenkollektiv vor allem im stationären psychiatrischen Bereich angewendet. Die Behandlung wird oft in einer Klinik in einem Gruppen- setting am sitzenden angekleideten Patienten durchgeführt. Sie kann aber auch ausschließlich oder zusätzlich zur Körperakupunktur in der Einzelpraxis angewendet werden. Aufgrund niedrigschwelliger Anforderungen an den Patienten ist sie auch für schwerkranke Patienten geeignet. Es handelt sich um ein allgemein Yin-stärkendes Verfahren.
Das NADA-Protokoll:
5 Yin-stützende Punkte:
Shen Men, Vegetativum, Lunge, Niere, Leber
Fazit Akupunkturbehandlungen und Depressionen
Studien (1,2)* zeigen, dass Akupunktur bei Depressionen, vor allem in Ergänzung zu einer medikamentösen Behandlung oder Gesprächstherapie, zu einer wesentlichen Symptomre- duktion führen kann. Die Patienten berichten über eine auf- gehellte Stimmungslage, verbesserte Konzentrationsfähigkeit und deutliche Antriebssteigerung. Akupunktur kann also den Verlauf einer Depressionsbehandlung oft positiv beeinflussen. Als alleinige Therapieoption ist sie gerade bei mittelschwe- ren und schweren Depressionen aufgrund der in der Regel komplexen Entstehungsgeschichte nicht indiziert. Im Rahmen eines biopsychosozialen Behandlungskonzeptes kann sie je- doch eine wichtige Rolle einnehmen.
*1. Can Fam Physician. 2011 Jun;57(6):659-63. Complementa- ry and alternative medicine for the treatment of major depres- sive disorder. Nahas R, Sheikh O.
*2. J Clin Psychiatry. 2011 May 3. Acupuncture for the treat- ment of major depressive disorder: a randomized controlled trial. Andreescu C, Glick RM, Emeremni CA, Houck PR, Mulsant BH.
Quelle: YinYang Fachmagazin, TCM Fachverband Schweiz
Autor: Dr. med. Adriane, Augsburg