Kopflos glücklich – Kopfschmerzen, ein Überblick
Kopflos glücklich – Kopfschmerzen, ein Überblick
Wenn wir uns über Kopfschmerzen unterhalten, so sprechen wir über ein sehr häufiges Phänomen mit unterschiedlichsten Ursachen. Drei von vier Erwachsenen leiden mindestens einmal im Jahr an Kopfschmerzen, wobei Frauen deutlich stärker betroffen sind als Männer. Etwa 5% der Bevölkerung leiden unter täglichen Schmerzattacken und sind dadurch in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt.
Symptomatik
Um sich eine Übersicht über die unterschiedlichen Ursachen zu verschaffen, ist es sinnvoll, Kopfschmerzen grob in so- genannte primäre und sekundäre Kopfschmerzen zu unter- teilen. Unter die primären Kopfschmerzen werden Schmerzen ohne fassbare Ursache subsummiert. Zu diesen rechnet man die Migräne und den chronischen Kopfschmerz vom Span- nungstyp (früher Spannungskopfschmerz) sowie seltenere Schmerzformen wie den Clusterkopfschmerz oder die Trigemi- nusneuralgie. Insgesamt stellen primäre Kopfschmerzen mit 92% den Grossteil der Kopfschmerzerkrankungen dar. Im Ge- gensatz dazu bilden die sekundären Kopfschmerzen mit 8% die Minderheit. Hierbei gibt es zu den Schmerzen eine fass- bare organische Ursache, wie eine Tumorerkankung, ein Blu- tungsgeschehen, eine Infektion usw. Bei der Behandlung von Kopfschmerzpatienten im Allgemeinen gilt es daher, eine or- ganische Ursache nicht zu übersehen und die rechtzeitige In- dikation für eine bildgebende Diagnostik (CT oder meist MRI) zu stellen. Es gibt daher Symptomkonstellationen (sog. «red flags») bei denen eine Bildgebung zwingend ist. Hierzu zählen neu aufgetretene Kopfschmerzen insbesondere bei Patienten > 50 J, Änderung der Kopfschmerzsymptomatik bzgl. Intensität, Frequenz oder Beschwerdeverlauf, noch nie erlebte Intensität, progressive Verschlechterung trotz adäquater Therapie, Kopf- schmerzen begleitet von psychischen Veränderungen oder epileptische Anfälle. Eine Therapie sekundärer Kopfschmerzen besteht immer in der Behandlung der zugrundeliegenden Er- krankung. Der Schwerpunkt des weiteren Artikels soll auf die primären Kopfschmerzen gelegt werden:
Primäre Kopfschmerzen
1. Migräne
Symptome
Die Migräne gehört zu den primären Kopfschmerzerkran- kungen. Sie hat bei Männern eine Prävalenz von 6 bis 8% und liegt bei den Frauen mit 12 bis 16% doppelt so hoch. Die Pathophysiologie der Migräne ist nicht geklärt, unterschiedliche Ursachen werden kontrovers diskutiert und überdies ist es fraglich, ob es wirklich nur eine Ursache gibt oder ob die Migräne nicht auch ein Symptom unterschiedlicher Erkrankungen sein kann. Klinisch zeigt sich die Migräneattacke als ein einseitiger (hemikranieller), pulsierender Schmerz mit einer Dauer von 4-72h (ohne Behandlung), der durch körperliche Aktivität verstärkt wird und von vegetativen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen, Lichtscheu (Photophobie) und/ oder Lärmempfindlichkeit (Phonophobie) begleitet wird. Bei rund 15% der Migränepatienten beobachtet man zudem eine sog. Aurasymptomatik, unter der man neurologische Reiz- oder Ausfallerscheinungen versteht, wie Sehstörungen oder Sprach- und Gleichgewichtsstörungen. Bei einem erstmaligen Auftreten einer Aurasymptomatik ist die Abgrenzung zu an- deren Erkrankungen wie eines Schlaganfalls oder einer Netzhautablösung zwingend. Als Auslöser einer Migräneattacke zeigen sich Änderungen des Schlaf-/Wachrhythmus, Stress oder Erholungsphasen, hormonelle Schwankungen oder Alkoholkonsum.
Therapie
Bei der Therapie der Migräne unterscheidet man zwischen der akuten Anfallstherapie und der Prophylaxe. Im Migräne- anfall haben sich neben einer antiemetischen Behandlung, also einer Therapie des Erbrechens und der Übelkeit, mit Metoclopramid oder Domperidon, klassische Analgetika wie hochdosierte Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen und Metamizol etabliert. Das Ansprechen ist von Patient zu Patient sehr verschieden. Mit den selektiven Serotoninagonisten, also Aktivatoren am Serotoninrezeptor, den sog. Triptanen hat sich in der Migränetherapie eine eigene Medikamentengruppe etabliert. Triptane werden bei schweren Attacken eingesetzt und haben Einfluss auf aseptische (also nicht durch Viren oder Bakterien ausgelöste) Entzündungsvorgänge in Gefässen der Hirnhaut, was einen Hinweis auf die Genese der Migräne geben kann. Triptane können nasal, subkutan, oral oder rektal appliziert werden und sollten so früh wie möglich eingenommen werden. Wie bei vielen anderen Analgetika besteht bei häufigem Konsum jedoch ebenso die Gefahr der Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes, doch dazu später. Die Prophylaxe besteht zum einen im Ver- meiden bekannter Auslöser wie zum Beispiel der Vermeidung von übermässigem Alkoholkonsum und dem Einhalten eines konstanten Schlaf-/Wachrhythmus. Einen hohen Stellenwert haben zudem das Führen eines Kopfschmerzkalenders (allein dies senkt die Häufigkeit) und das Erlernen von Entspannungstechniken. Die medikamentöse Prophylaxe reicht über die Gabe von betaBlockern bis hin zur Gabe von Antiepileptika wie Valproinsäure oder Topiramat. Hierbei setzt man immer den Leidensdruck der Patienten mit den teilweise erheblichen medikamentösen Nebenwirkungen in Relation. Eine Prophylaxe gilt ab einer Anfallsreduktion von 50% als erfolgreich.
2. Spannungskopfschmerzen
Symtome
Wesentlich grösser als die der Migräne ist die Prävalenz von Spannungskopfschmerzen. Sie beträgt bei der episodischen Form 50% (gelegentliche Schmerzattacke für ein bis zwei Tage) und in der chronischen Form 2-3% (Schmerzen an mehr als 15 Tagen/Monat oder 180 Tagen/Jahr). Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Die Symptomatik unterscheidet sich klar von einer Migräneattacke. So sind die Schmerzen dumpf drückend und beidseitig lokalisiert (Migräne einsei- tig und pulsierend). Sie können am Hinterkopf, seitlich oder an der Stirn auftreten. Die Intensität wird meistens als mit- telschwer beschrieben, vegetative Symptome wie Erbrechen oder Übelkeit fehlen oder sind nur sehr gering ausgeprägt. Oft wird der Schmerz wie ein «zu enger Hut» oder «ein Band um den Kopf» empfunden. Die Arbeitsfähigkeit ist gewöhn- lich nicht eingeschränkt. Mischformen von Migräne und Span- nungskopfschmerzen können selten auftreten und erschweren dann die Diagnosestellung. Die Ursache der Spannungskopf- schmerzen ist unklar. Die postulierte Verspannung der Musku- latur im Kopfbereich (daher auch der Name) konnte wissen- schaftlich nie belegt werden.
Therapie
In der Akuttherapie hat die lokale Kälteapplikation einen ho- hen Stellenwert, zudem kommen die gängigen Schmerzme- dikamente (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen und Metamizol) zum Einsatz. Bei chronischen Spannungskopf- schmerzen zeigt eine Therapie mit trizyklischen Antidepres- siva gute Ergebnisse, zudem sollte mit nichtmedikamentösen Therapieansätzen wie progressiver Muskelrelaxation, Stress- bewältigung und Ausdauersport gearbeitet werden.
3. Andere Kopfschmerzformen
Seltenere Kopfschmerzformen stellen die Clusterkopfschmer- zen, die idiopathischen Gesichtsschmerzen und die Neural- gien im Gesichtsbereich dar, wobei hierbei aus Platzgründen auf einschlägige Fachliteratur verwiesen werden muss.
Medikamenteninduzierter Kopfschmerz
Beachtung sei noch den medikamenteninduzierten Kopf- schmerzen geschenkt. Diese Erkrankung sollte bei der Be- urteilung von chronischen Kopfschmerzpatienten immer als Differentialdiagnose präsent sein. Betroffen sind vor allem Frauen (5 mal häufiger als Männer). Die durchschnittliche Me- dikamenteneinnahme beträgt bei Diagnosestellung 5 Jahre. Die Ursache der Schmerzen stellt die Einnahme der Medika- mente selbst dar, welche eigtl. gegen den Schmerz helfen sollen. Dies sind vor allem Triptane in der Migränetherapie, Opiate und vor allem Mischpräparate (Analgetikum kombi- niert mit Koffein, Kombination mit psychotropen Substanzen wir Tranquilizern oder Schlafmitteln). Die Schmerzen werden als dumpf-drückend, teilweise aber auch pulsierend beschrie- ben und sind oft bereits am frühen Morgen vorhanden. Oft besteht noch ein zweites Kopfschmerzleiden, welches primär zur Medikamenteneinnahme führte. Die Diagnose ist daher sehr schwer zu stellen. Als Diagnosekriterien gelten: >5 Kopfschmerztage im Monat; Medikamenteneinnahme über mindestens 3 Monate; Einnahme von Triptanen, Opiaten oder Mischpräparaten an über 15 Tagen/Monat; Zunahme der Schmerzen unter Analgetikatherapie; Besserung 2 Monate nach Analgetikaentzug. Die einzige Therapie stellt der Medikamentenentzug dar, welcher oft in einem stationären Setting erfolgen muss. Die primäre Erfolgsquote beträgt hierbei 75%, wobei eine Rückfallquote von 40-60% nach 4-6 Jahren zu beobachten ist. Der Entzug kann medikamentös unterstützt werden mit dem Analgetikum Naproxen und dem Antiepileptikum Topiramat, stellt jedoch eine grosse Herausforderung für Patient und Therapeut dar.
Quelle: YinYang Fachmagazin, TCM Fachverband Schweiz
Autor: Dr. med. Julian Röbe, Augsburg